Die Ostwand

Das Projekt Ostwand sah vor, eine Steinskulptur an der Ostwand der Nordwohlder Kirche anzubringen, die den auferstandenen Christus darstellt.

Die Baumeister früherer Jahrhunderte achteten beim Bau einer Kirche auf ein besonders wichtiges Detail: Der Altar sollte nach Osten hin ausgerichtet sein. Warum nach Osten? Und warum nicht nach Süden, oder Norden – oder auch Westen? Das hatte einen ganz bestimmten Grund, und dieser Grund hatte mit ihrem Glauben zu tun. Im Osten geht die Sonne auf, im Westen geht sie unter. So sollte der Eingang stets nach Westen ausgerichtet sein und der Gang in der Kirche zum Altar hin in Richtung Sonnenaufgang angelegt sein. Es waren keine technischen Gründe, wie die rechte Beleuchtung, oder das Licht, das in der Gotik eine so große Rolle spielte, sondern der Sonnenaufgang hatte eine ganz andere Bedeutung: Auferstehung.

Im Westen dagegen wurde meistens ein hoher Turm oder eine hochgezogene Mauer erbaut, um das Böse, Leid und Unglück, abzuwehren.

Dieser mittelalterliche Gedanke spielt eine wesentliche Rolle heute bei der Skulptur an der Ostwand der Nordwohlder Kirche. Die Skulptur stellt den Auferstandenen, den Christus dar, der die Arme ausbreitet und die Menschen, die die Kirche betreten, willkommen heißt. So, als stünde über der Figur das Jesuswort: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch neue Kraft geben.

Den Altarbereich einer Kirche als einen heiligen Ort zu begreifen, an dem Heilung, Vergebung und Gemeinschaft im Abendmahl erfahren werden kann, das ist das Grundmotiv für diese Skulptur.

Sie soll aus 7 Teilen bestehen und aus Seifenstein gehauen werden. Die Skulptur wird 135cm hoch und 95cm breit sein. Hinter ihr strahlt in goldenem Glanz ein Reifen. Er ist Symbol für die aufgehende Sonne, für die Auferstehung, für den Kreis, der sich schließt, für die Vollkommenheit.

Ist der Gekreuzigte noch im westlichen Eingang zu sehen...

...und erinnert er mit seinem Leid daran, dass er uns auch im Hier und Jetzt nahe ist, so enden doch an dieser Stelle alle Zwänge und Spiralen der Gewalt, der Angst und des Leidens. Tod und Böses sind überwunden. Auferstehung, Heilung und Neuanfang werden möglich.

Der Kirchenvorsteher Hans-Ulrich Lenk begleitete die Entstehung dieses Projektes in meinem Atelier seit dem 18. Oktober 2013 mit seiner Kamera. Doch der Anfang ereignete sich bereits ein paar Wochen früher, am 23. September mit einer Fahrt nach Eitorf bei Bonn (Fotos von Ursula Sen Gupta):

Die Fahrt führte mich zum Steinlager der Firma Gerstäcker, von wo ich schon seit 14 Jahren meine Steine beziehe. Mit den Zeichnungen der Vergrößerung machte ich mich daran, die geeigneten Steine auszusuchen:

Herr Becker, ein alter Bekannter , brachte Containerweise die größeren Stücke von brasilianischem Seifenstein herbei.

und transportierte die ausgesuchten Stücke in einem aufregenden Verfahren in die für den Transport bestimmte Holzkiste

Am 28. September begann die Arbeit an dem Projekt im Atelier in Nordwohlde:

Mit dem Kopf , dem wichtigsten Stück, begann die Bildhauerarbeit.

Nach ein paar Wochen war dann schon ein Gesicht erkennbar:

Und nach ein paar Tagen wurde es dem Tonmodell immer ähnlicher:

Der nächstgrößte und -schwerste Stein konnte bearbeitet werden. Der Unterkörper der Christusfigur. Nachdem der Stein von allen Seiten begutachtet und vermessen war, wurden er zurechtgesägt...

...und bearbeitet. Ohne Feinarbeit wurde er zu dem Kopf auf die Spanplatte gelegt...

... und die Arbeit am dritten Stück, dem Brustkorb, konnte beginnen.

Im Januar ging die Arbeit an der Skulptur weiter. Spannend war, ob ich die beiden Füße aus einem Stein herauskriegen würde und ob sie dann auch insgesamt groß genug wären.

Dann wurden sie bearbeitet ...

...und zu der Figur auf die Holzplatte gelegt.

Dann habe ich den nächsten Stein in der Mitte längs durchgesägt, um daraus die Arme zu arbeiten.

Und nach weiteren Wochen war es dann erstmal soweit. Alle 7 Teile sind in Stein gehauen. Nun
kam als Nächstes die Feinarbeit, das Aufeinanderabstimmen aller Teile, bis alles richtig sitzt und zusammenpasst.

Ende Februar beschloss ich, den Brustkorb nochmal neu zu machen, da ich ja nun einen Stein übrig hatte. Der erste Brustkorb war etwas zu schmal geraten und war ein zu weicher Stein. Dann gab ich den Kreis in Auftrag. Andreas Koch-Warnken fertigte ihn aus Sperrholz. Ich beklebte ihn mit Glas- und Permuttmosaik:

Am 26. und 27. März 2014 war es dann soweit: Die Skulptur wurde in ihren Einzelteilen in die Kirche transportiert und dort wieder zusammengelegt. Ein Foto wurde von ihr gemacht, das dann an die Ostwand projiziert wurde. Die Umrisse habe ich mit Bleistift an die Wand gezeichnet. Andreas Koch-Warnken hatte inzwischen einen Halbrundbogen gefertigt, der den Erdkreis symbolisch darstellen soll, auf dem die Skulptur "steht".

Steinmetzmeister Dietmar Franz und seine Tochter brachten mit mir die Skulptur Stück für Stück an der Wand an. Zwischendurch auch der goldene Mosaikkreis.

Am Ostersonntag 2014 wurde die Skulptur "Der Auferstandene" im Gottesdienst eingeweiht.

Brigitte Plath, Organistin und Musikerin hatte ein Werk geschaffen und das Bibelwort vertont:

Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich gebe euch neue Kraft. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig, und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden in mir. Ruhet in mir; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. (Matthäus 11, 28-30)
Dieses Werk wurde vom Kirchenchor der Kirchengemeinde Nordwohlde unter ihrer Leitung uraufgeführt.